DNA-Methylierung
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Wechseln zu: Navigation, Suche

Bei der DNA-Methylierung handelt es sich um eine chemische Abänderung an Grundbausteinen der Erbsubstanz einer Zelle. Diese Abänderung (Modifikation) wird durch die Übertragung von Methylgruppen durch Enzyme (z. B. SUV39H1 HMTase) auf Nukleobasen an bestimmten Stellen innerhalb der DNA hervorgerufen. Da der jeweilige Grundbaustein an der jeweiligen Stelle erhalten bleibt, ist die DNA-Methylierung keine genetische Mutation. Die DNA-Methylierung ist eine DNA-Modifikation, kommt in sehr vielen verschiedenen (möglicherweise in allen) Lebewesen vor und hat verschiedene biologische Funktionen. Die Abfolge der DNA-Methylierung ist Teil des epigenetischen Codes einer Zelle.

Biologische Funktionen von DNA-Methylierungen
Da die DNA-Methylierung die Nutzung der DNA gestaltet, ohne die Abfolge der Grundbausteine (DNA-Sequenz) zu verändern, ist sie Gegenstand der Epigenetik. Bisher sind im Wesentlichen folgende Bedeutungen der Methylierung von Nukleobasen innerhalb doppelsträngiger DNA bekannt:

Bei Prokaryoten

* Schutz vor fremder DNA: Unterscheidung zelleigener DNA von solcher, die von außen in die Zelle gelangt ist.
* Fehlerkorrektur bei der DNA-Synthese: Unterscheidung des ursprünglichen (methylierten) DNA-Strangs vom neusynthetisierten Strang, in welchem die Nukleobasen noch nicht methyliert sind.

Bei Eukaryoten

* Nutzung der DNA als Informationsträger: Markierung von aktiven und inaktiven Bereichen der DNA.

DNA-Methylierung und Schutz vor fremder DNA
DNA ist weit verbreitet. Zellen unterschiedlicher Arten können in unmittelbarer Nachbarschaft existieren. Sowohl bei der Nahrungsaufnahme einer Zelle (z. B. Phagozytose) wie auch bei parasexuellen und sexuellen Prozessen kommt es zur Aufnahme der DNA von einer (lebenden oder toten) Zelle in eine andere Zelle. Darüber hinaus sind viele Zellen in der Lage, unter bestimmten Umständen Fremd-DNA leicht aufnehmen zu können (Zellkompetenz).

Da eine lebende Zelle ihre Integrität nur erhalten kann, wenn die genetische Information sinnvoll ist, sollte sie in der Lage sein, fremde DNA zu erkennen und zu eliminieren. Dies wird häufig durch ein System aus zwei Enzymgruppen gewährleistet: Die DNA-Methyltransferasen und die Restriktionsendonukleasen.

Die Methyltransferasen erkennen eine (meist kurze) DNA-Sequenz und hängen eine Methylgruppe an eine definierte Nukleobase. Dadurch entsteht ein sogenanntes Methylierungsmuster. Die Restriktionsenzyme erkennen ebenfalls eine (meist kurze) DNA-Sequenz und trennen die DNA an definierten Stellen zwischen Phosphat und Desoxyribose. Viele Restriktionsenzyme sind methylierungssensitiv. Das heißt, sie zerschneiden die DNA nur, wenn an bestimmten Stellen Methylierungen vorliegen oder wenn an bestimmten Stellen keine Methylierungen vorhanden sind.

Das System aus Methyltransferasen und Restriktionsenzymen ist in einer lebenden Zelle so abgestimmt, dass die eigene DNA nicht zerschnitten wird. Fremde DNA, die von außen in die betrachtete Zelle gelangt, hat jedoch in den allermeisten Fällen ein anderes Methylierungsmuster. Daher wird sie mit hoher Wahrscheinlichkeit von den Restriktionsenzymen sowie anderen Nukleasen verdaut. In seltenen Fällen wird fremde DNA nicht oder nur zum Teil verdaut und dauerhaft in die zelleigene DNA integriert. Eine Integration fremder DNA wird auch als horizontaler Gentransfer bezeichnet und ist ein Motor der Evolution.

Nachfolgend wird ein einfaches System aus Methyltransferase und Restriktionsenzym als Beispiel erläutert.

Beispiel für DNA-Methylierung und DNA-Restriktion

Das Zusammenwirken von DNA-Methylierung und DNA-Restriktion (Spaltung von DNA) soll anhand der Enzyme DpnM (DNA-Methyltransferase) und DpnII (Restriktionsenzym) beschrieben werden. Die Enzyme stammen aus dem Bakterium Diplococcus pneumoniae. Die Methyltransferase DpnM sorgt dafür, dass die palindromische Sequenz GATC im Adenosin methyliert wird:

m
--GATC--
--CTAG--
m

Dadurch kann „frische DNA“ die gerade neu entstanden ist, von der alten DNA, die als Vorlage gedient hat, unterschieden werden:

m
--GATC--
--CTAG--


Das ist für die korrekte Reparatur von Fehlern während der DNA-Replikation wichtig. Der sogenannte hemimethylierte Zustand (eine Seite ist methyliert, die andere nicht) wird nachfolgend durch die Methyltransferasen – wie z. B. DpnM – durch Methylierung aufgehoben. Sollte DNA einer anderen Art in die D. pneumoniae-Zelle gelangen, so ist diese DNA in der Sequenz GATC meist nicht methyliert:

--GATC--
--CTAG--


Diese doppelsträngige DNA wird mit großer Wahrscheinlichkeit vom Restriktionsenzym DpnII zerschnitten. Neben anderen Prozessen führt das dazu, dass fremde DNA eher als Nahrung und weniger als Erbsubstanz dient. Dieses ist außerdem ein Mechanismus, mit dem sich Bakterien vor Bakteriophagen schützen – indem sie die eingebrachte DNA in kleine Stücke schneiden.

DNA-Methylierung und Fehlerkorrektur bei der DNA-Neusynthese

Die identische Verdopplung der Desoxyribonukleinsäure (DNA-Replikation) ist eine wesentliche Voraussetzung für die Zellteilung und damit für die Vermehrung. Die DNA-Replikation wird dadurch gewährleistet, dass Enzyme (die DNA-abhängigen DNA-Polymerasen) den bereits vorhandenen alten Strang „lesen“ und dabei den neuen Strang „schreiben“. Dabei können Fehler auftreten. Die Fehlerstellen können durch die DNA-Reparatursysteme einer Zelle erkannt werden, da dort keine komplementäre Basenpaarung vorliegt. Allerdings bliebe unklar, welche der beiden Möglichkeiten die richtige sei, wenn sich alter und neuer DNA-Strang nicht unterschieden. Da der alte Strang jedoch methyliert ist, der neue aber noch nicht, ist eine Unterscheidung möglich. Die DNA-Reparatursysteme können das Methylierungsmuster zur Fehlerkorrektur nutzen. Das wird im Folgenden anhand der Methylierung des CpG-Dinukleotids verdeutlicht.

In den Zellen des Menschen wie auch anderer Säugetiere ist eine kurze Folge aus zwei Grundbausteinen (Nukleosiden) die Grundlage für eine DNA-Methylierung: Cytidin – Phosphorsäure – Guanosin. CpG ist in der Reihenfolge der Synthese von Nukleinsäuren angegeben. Das Phosphat stammt vom Baustein Guanosintriphosphat, der für die DNA-Synthese verwendet wurde. In der Aufeinanderfolge der beiden Nukleobasen Cytosin–Guanin wird das Cytosin methyliert. Bis auf einige Bereiche passiert dies fast in der gesamten menschlichen Erbsubstanz.

1. Vor der DNA-Replikation sind im betrachteten Beispielabschnitt die CpG-Dinukleotide in beiden Strängen am Cytosin methyliert:

m m
...pApApCpTpCpGpTpGpCpApApApCpGpGpTpT ...
| | | | | | | | | | | | | | | | |
... TpTpGpApGpCpApCpGpTpTpTpGpCpCpApAp...
m m

2. Während der DNA-Replikation kommt es zum Fehler: Statt eines Tymidintriphosphat-Moleküls wird ein Cytidintriphosphat verwendet. Dadurch wird an der entsprechenden Stelle die komplementäre Basenpaarung aufgehoben:

m m
...pApApCpTpCpGpTpGpCpApApApCpGpGpTpT ...
| | | | | | | | | | |
CpApCpGpCpTpTpGpCpCpApAp...


3. Nach Abschluss der DNA-Replikation im Beispielabschnitt liegt der DNA-Doppelstrang hemimethyliert vor. Das heißt, der alte Strang ist methyliert, der neue nicht.

m m
...pApApCpTpCpGpTpGpCpApApApCpGpGpTpT ...
| | | | | | | | | | | | | | | |
... TpTpGpApGpCpApCpGpCpTpTpGpCpCpApAp...


4. Die Stelle der Fehlpaarung wird erkannt. Von den beiden Möglichkeiten Adenosinmonophosphat und Cytidinmonophosphat wird das Cytidinmonophosphat ausgeschnitten, das im nichtmethylierten Strang liegt. Tymidintriphosphat wird verwendet, um die Lücke zu schließen:

m m
...pApApCpTpCpGpTpGpCpApApApCpGpGpTpT ...
| | | | | | | | | | | | | | | |
... TpTpGpApGpCpApCpGp TpTpGpCpCpApAp...
pppT

5. Der reparierte DNA-Doppelstrang liegt im hemimethylierten Zustand vor:

m m
...pApApCpTpCpGpTpGpCpApApApCpGpGpTpT ...
| | | | | | | | | | | | | | | | |
... TpTpGpApGpCpApCpGpTpTpTpGpCpCpApAp...


6. Durch die Übertragung von Methylgruppen auf die Nukleobase Cytosin in den CpG-Dinukleotiden wird der Grundzustand wiederhergestellt:

m m
...pApApCpTpCpGpTpGpCpApApApCpGpGpTpT ...
| | | | | | | | | | | | | | | | |
... TpTpGpApGpCpApCpGpTpTpTpGpCpCpApAp...
m m

DNA-Methylierung und die Nutzung der DNA als Informationsträger
DNA-Methylierungen sind Markierungen, die es der lebenden Zelle gestatten, Bereiche innerhalb der DNA für verschiedene Prozesse selektiv zu nutzen. Die Markierung von DNA kann ähnlich wie Textformatierungen in einem Buch betrachtet werden: Wenn in einem Lexikon ein Stichwort hervorgehoben dargestellt ist, hat es für den Leser eine andere Bedeutung als dasselbe Wort im Fließtext. Es existieren mehrere (sich überschneidende) Möglichkeiten, wie DNA-Methylierungen die Art der Interpretation von Information variieren, welche in der Bausteinabfolge der DNA gespeichert ist.

DNA-Methylierung und Genregulation
In einem Bereich vor einem Gen (stromaufwärts, upstream) sind häufig Stellen vorhanden, die sich hinsichtlich ihres Methylierungsmusters von der Umgebung unterscheiden. Dabei kann in vielen Fällen der Methylierungsgrad in unterschiedlichen Situationen variieren. Dadurch wird eine selektive Lesehäufigkeit des dahinterliegenden Gens möglich, was man als Genregulation oder differenzielle Genexpression bezeichnet. Beispiele für solche Bereiche, die selektiv methyliert sein können, sind CpG-Inseln.

DNA-Methylierung und Imprinting (genomische Prägung)

Die genomische Prägung ist ein Spezialfall einer differenziellen Genexpression, welche in der Regel durch DNA-Methylierung gesteuert wird. Durch unterschiedliche DNA-Methylierungsmuster in den männlichen und weiblichen Keimzellen können väterliche und mütterliche Allele unterschieden werden. Bei Genen, die dem Imprinting unterliegen, wird nur das mütterliche oder väterliche Allel genutzt. Dadurch ist eine geschlechtsspezifische Ausprägung von phänotypischen Merkmalen möglich.

Medizinische Bedeutung

Da fehlerhafte DNA-Methylierungen auf Zellebene reduzierte oder erhöhte Genaktivität bedingen, und diese Aktivitätsveränderungen meist stabil an Tochterzellen vererbt werden, sind sie auf Organismenebene häufig auch Ursache für Krankheiten. So weisen z. B. Tumorzellen oft Methylierungsmuster auf, die von denjenigen gesunder Geweben signifikant abweichen. Ein Tumor kann dabei sowohl als Folge zu starker Methylierung (Hypermethylierung) von upstream DNA-Bereichen entstehen, als auch bei verringertem Methylierungsgrad. Der regulatorische Bereich vor jedem Gen (Promotorbereich) besteht aus verschiedenen typischen DNA-Sequenzen, die spezielle Bindungsstellen für unterschiedliche Enzyme darstellen. Meistens blockiert eine hypermethylierte upstream DNA den Zugang transkriptionsaktiver Faktoren und Enzyme, wodurch die Genaktivität des nachfolgenden Gens supprimiert wird.

Die DNA-Bereiche, die für die Methylierung von besonderer Bedeutung sind, heißen CpG-Inseln. Ihr GC-Gehalt beträgt etwa 60 % (Gesamtgenom: ca. 40 %), und in diesen Abschnitten liegt das Dinukleotid Cytosin-Guanin (5'-CpG-3') im Vergleich zum restlichen Genom mit zehn- bis zwanzigmal erhöhter Frequenz vor. CpG-Inseln dienen in der humangenetischen Forschung oft der Zuordnung von Genen zu genetischen Erkrankungen. Die Gene und die durch DNA-Methylierung gesteuerten Bereiche vor dem jeweiligen Gen können für die Diagnose von vererbbaren Erkrankungen mit molekulargenetischen Methoden eingesetzt werden.

Eine Therapie von Erkrankungen durch eine gezielte Beeinflussung der DNA-Methylierung ist bisher und auf absehbare Zeit nicht möglich – u. a. auch deshalb, weil zu wenig über das ‚richtige‘ Methylierungsmuster gesunder Gewebe bekannt ist. Derzeit gibt es nur experimentelle In vitro-Ansätze, durch sogenannte Zinkfingerproteine (spezielle Klasse von Proteinen, die um ein zentrales Zink-Ion DNA-bindende Domänen besitzen und mit Methylasen oder Demethylasen gekoppelt sein können), um so gezielt bestimmte Sequenzen modifizieren können.

Abgrenzung und Zusammenhang der Begriffe Methylierung, Modifikation, Mutation und Vererbung
Die Methylierung ist eine universelle chemische Abwandlung von Molekülen. Im Bereich anorganischer und organischer Chemie spricht man bei solchen Abwandlungen eher von Derivaten, im Bereich der biologischen Makromoleküle eher von Modifikationen. So können außer den Nukleobasen in der DNA auch Proteine durch Methyltransferasen methyliert werden. Der Begriff Modifikation wird in der Biologie mehrdeutig gebraucht. Zum einen betrifft er die bereits erwähnte Modifikation von Makromolekülen – vor allem DNA –, zum anderen die phänotypische Modifikation. Von (phänotypischer) Modifikation spricht man, wenn sich die Eigenschaften eines Lebewesens durch geänderte Umweltbedingungen ändern (geänderter Phänotyp), ohne dass die Erbsubstanz in der Abfolge ihrer Grundbausteine verändert wurde (unveränderter Genotyp). Somit sind die Modifikation von Makromolekülen und die phänotypische Modifikation verschieden. Allerdings haben beide Begriffe die Gemeinsamkeit, sich auf solche Veränderungen am Lebewesen zu beziehen, welche ohne grundsätzliche Änderung der Erbsubstanz vonstatten gingen. Keine grundsätzliche Änderung heißt in diesem Fall, dass keine Änderung der Abfolge der Grundbausteine der Desoxyribonukleinsäure erfolgte. Die DNA-Modifikation und die phänotypische Modifikation sind daher keine Mutationen. DNA-Modifikationen können Mutationen nach sich ziehen. So steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Cytosin zum Thymin umgewandelt wird (Punktmutation), wenn dieses Cytosin methyliert ist (siehe CpG-Inseln).

DNA-Modifikationen können auch phänotypische Modifikationen nach sich ziehen: Veränderte Umweltbedingungen führen über die Signaltransduktion zum veränderten Methylierungsmuster der DNA in bestimmten Bereichen (DNA-Modifikation); dadurch wird die Nutzung der Gene verändert (differenzielle Genexpression); das führt zu einer Änderung der Eigenschaften der Lebewesens (phänotypische Modifikation). Mutationen sind per Definition vererbbar. DNA-Modifikationen sind nicht oder nur im begrenzten Maße vererbbar. Die genomische Prägung ist ein Grenzfall. Hier kommt es durch DNA-Methylierung zu einer Unterscheidung väterlicher und mütterlicher Allele. Da nur ein Allel (eine Gen-Kopie) aktiv ist, kommt es zur Weitergabe der Ausprägung dieses Allels in die nächste Generation. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um genetische Vererbung (Biologie) im engeren Sinne.