Welt Artikel zum Thema Placeboeffekt: Gedanken heilen manchmal besser als Pillen

Sind Placebos die bessere Medizin? Vor fünf Jahren starteten
Chirurgen in den USA ein Experiment mit 180 Arthrose-
Patienten. Eine Tortur am Knie verlief erfolgreich: Alle
Patienten fühlten sich deutlich besser. Aber: Jeder Zweite
hatte statt Schlauch und Spülung nur eine Schein-OP bekommen.
Der Einfluss des Placebo-Effekts in der gesamten Medizin
ist enorm. Bei den meisten Erkrankungen, so schätzt der
amerikanische Kardiologe Brian Olshansky, „trägt Placebo
bis zu 40 Prozent zum Nutzen der medizinischen Maßnahmen
bei“. Wie die Gedanken heilen – und warum bei vielen
Menschen Placebos sogar besser wirken als Pillen, konnten
Forscher aber bisher nur ansatzweise erklären. Jetzt haben
Mediziner der University of Michigan Health System die
neurobiologische Ursachen für den geheimnisvollen Effekt
enträtselt. Die Forscher fügten ihren Testkandidaten leichte
Schmerzen zu, und anschließend versprachen sie ihnen per
Spritze eine Substanz, die den Schmerz stillen sollte – in
Wahrheit gab es nur eine Kochsalzlösung. Was sich während
der Prozedur im Gehirn der Personen abspielte, hielten
die Mediziner auf Hirn-Scan-Aufnahmen fest. Fazit:
Bei den Personen, die für die Placebos empfänglich waren
und eine Besserung verspürten, stellten die Forscher eine
außergewöhnlich hohe Ausschüttung des Botenstoffes Dopamin
im Gehirn fest.
Es ist das Prinzip der Schamanen, des Halbgottes in Weiß
in unseren Breiten – für beide gilt: Der Glaube an ihre
Heilkraft ist schon der halbe Weg zur Genesung. Vor allem
Heilpraktiker wissen um den Effekt, den der gute Draht
zum Patienten haben kann, ein Großteil der Therapien beruht
darauf. Das Prinzip wird inzwischen in der Grundvorlesung
an deutschen Medizin-Hochschulen gelehrt: Placebospritzen
wirken besser als Placebotabletten. Kleine bunte
Placebopillen sind weißen und mittelgroßen überlegen.
Und der Nutzen eines Placebos steigt, wenn der Arzt selbst
von einer solchen Behandlung überzeugt ist. Forscher der
LMU München zeigten, dass ein Placebo, das als Magenpräparat
angekündigt wurde, genau jene Symptome hervorruft,
über die der Arzt den Probanden zuvor aufklärte.
Wenn der Arzt erklärt, dass das Medikament die Aktivität
des Magens erhöht, dann erhöht sie sich auch tatsächlich.
Andere Organsysteme reagierten nicht. Vor allem in der
Schmerztherapie versprechen sich Mediziner viel von Placebos.
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Quelle: http://www.welt.de