Krebs I Vortrag vom 10.2.1899
Was Krebs für uns bedeutet
Ich möchte heute über Krebs sprechen.
Ich weiß, daß Ihr alle eine bestimmte Vorstellung damit verbindet. Ich weiß, daß viele von uns Angst davor haben, und ich weiß, daß einige von uns diese Krankheit aus eigener Erfahrung kennen, bei sich selbst - oder bei Angehörigen, bei Freunden.
Krebs ist eine derjenigen Krankheiten, vor denen wir uns heute mit am meisten fürchten. Wir haben Angst, diese Krankheit zu bekommen, und wir hätten vielleicht weniger Angst, wenn wir wüßten, daß jeder durch diese Krankheit hindurchgeht, und zwar ausnahmslos. Daß der einzige Unterschied nur darin besteht, daß beim einen die Krankheit bis in den physischen Körper gelangt und sich dort entwickelt, so wie uns eine ‘Krankheit’ normalerweise erscheint - als eine Störung des körperlichen Gleichgewichts. Wenn wir aber das Ganze ins Auge fassen, also unseren ganzen Zustand bis in den geistigen Bereich, dann würden wir sehen, daß jeder von uns durch eine Erfahrung hindurch muß, die der Krebskrankheit zugrunde liegt, so daß wir also sagen können: Jeder von uns muß sich geistig oder seelisch mit der Krebserkrankung (wir sagen heute: Krebsproblematik!) auseinandersetzen.
Das Ergebnis dieser Auseinandersetzung entscheidet, ob wir im herkömmlichen Sinne krank werden daran oder diese Krankheit bewältigen, bevor es zu einer Entwicklung kommt, die die Krankheit schließlich immer weiter in die äußere Erscheinungsform bringt.
Krebs als geistige Auseinandersetzung
Ich sagte, wenn wir das wüßten, hätten wir vielleicht weniger Angst davor, diese Krankheit zu bekommen, denn wir wüßten, wir haben sie bereits oder werden sie auf jeden Fall als geistige Auseinandersetzung durchleben müssen, mit ihr Erfahrungen machen und sie schließlich in der einen oder anderen Form bewältigen müssen.
Wobei die eine Form darin besteht, daß wir danach ein Stück weiter entwickelt sind und im herkömmlichen Sinne genesen. Die andere Form kann darin bestehen, daß wir diese Erde verlassen und sterben. Dazwischen gibt es nichts.
Ich will Euch heute so viel sagen, wie ich selbst schauen und erkennen kann über das ‘geistige Prinzip’, das wir Krebs nennen könnten. Und ich denke, wenn wir dieses geistige Prinzip verstehen, haben wir die beste Möglichkeit, die Auseinandersetzung so zu führen und so zu entscheiden, daß wir in diesem Leben die Krankheit bewältigen können.
Krebs entsteht aus der Auseinandersetzung in uns zwischen zwei wesentlichen Kräften, die wir nennen könnten: das Leben nach vorn, in die Zukunft, in den Fortschritt, in die Entwicklung - und das Leben nach hinten, in die Vergangenheit, in die Rückentwicklung. Wir könnten auch sagen, es ist das fortschrittliche Prinzip und das konservative Prinzip, die sich in uns einen Konflikt liefern, austragen und in irgendeiner Form zu einer Entscheidung führen.
Das Prinzip Entwicklung
Zunächst haben wir nicht die Wahl, diesen Konflikt überhaupt zu vermeiden. Und um das zu verstehen, will ich Euch ein klein wenig über das 'Prinzip Entwicklung' sagen, damit ihr versteht, warum es notwendigerweise bei jeder Entwicklung diese gegeneinanderwirkenden Kräfte gibt, geben muß.
Entwicklung entsteht immer zwischen zwei Polen,
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dem was ist und * dem was noch nicht ist, aber werden soll
Also zwischen
* dem was bereits realisiert wurde und damit der Vergangenheit oder bestenfalls der Gegenwart angehört, und * dem, was als Möglichkeit vorhanden ist, als Potential, aber noch nicht in den Zustand der Realität gekommen ist. Was sich also noch nicht realisiert hat, aber immerhin im Bereich des Möglichen liegt. Was sich realisieren könnte.
Denn etwas, was sich nicht realisieren kann, wird auch nicht als mögliche Entwicklung auftreten.
Andererseits gibt es viele Möglichkeiten, in jedem Augenblick. Ich kann sprechen oder nicht sprechen, ich kann eine Pause machen, nachdenken oder reden. Ihr könnt zuhören oder Euch geistig mit etwas anderem beschäftigen. Ihr könnt hier sitzen oder aufstehen und gehen.
Es gibt keine Entwicklung in Möglichkeiten hinein, die nicht mindestens eine Alternative haben.
Vielleicht kennt der eine oder andere von Euch das Buch von Maxi Wander: 'Leben wäre eine prima Alternative'. Hier ist unter 'Leben' alles verstanden, was Leben enthalten kann. Nicht ein Leben, sondern die unglaublich vielen Mannigfaltigkeiten, die das Leben anstreben und verwirklichen kann, im Großen, wie im Kleinen.
*
Im Großen heißt, bis hin in die gesamte Erde hinaus. * Im Kleinen heißt: wenn wir uns als ‘klein’ ansehen, bis in unser eigenes Leben hinein.
Aber noch viel tiefer, bis in das Leben jeder einzelnen Zelle, ja sogar jedes einzelnen Atoms - besteht diese Wahlmöglichkeit, beim Vorwärtsschreiten in der Zeit mindestens eine Alternative zu haben.
Wir nennen das Freiheit.
So lebt Entwicklung und so entwickelt sich Leben immer zwischen Alternativen, und das heißt auch immer zwischen Gegensätzen.
Wir sind frei und eingebunden
Diese Freiheit zu nützen, ist das Recht eines jeden, eines Menschen, einer Zelle, eines Atoms, eines Sterns.
Die Freiheit, sie nicht zu nützen, natürlich auch.
Das heißt, alles, was wir kennen, hat bis ins Kleinste hinunter eine Eigenschaft oder Qualität, die wir mit dem Wort 'Willen' bezeichnen.
Das ist vielleicht nicht immer das, was wir uns unter Willen vorstellen, aber es hat dieselbe Qualität - nämlich die Fähigkeit zu wählen.
Ich sage das, obwohl ich weiß. daß viele von Euch ab und zu in Situationen geraten, wo sie glauben, in einer Zwangslage zu stecken und keine Wahl mehr zu haben. Ich sage das also, obwohl ich weiß, daß wir manchmal blind genug sind, andere Alternativen zu erkennen, aber: sie sind prinzipiell vorhanden.
Entwicklung geschieht immer im Zeitablauf, und was Zeit ist, ist sehr schwer zu begreifen, weil alles, was wir kennen, so sehr innerhalb der Zeit ist und nichts, was wir kennen, außerhalb der Zeit. Und wie sollten wir etwas beschreiben, wenn wir selber innerhalb der Zeit sind? Wenn wir nicht von außen die Zeit betrachten können?
Alles, was wir betrachten können, ist Bewegung. Ihr könnt die Uhr sehen, wenn sie das Pendel bewegt, Ihr könnt in der Sanduhr erkennen, wie sich der Sand bewegt, Ihr könnt im Tagesablauf sehen, wie sich die Sonne bewegt, wie sich die Sterne bewegen.
Und deswegen ist für uns Bewegung die einzige Möglichkeit, Zeit zu erkennen und Zeit zu messen.
Also beruht Entwicklung letztlich auf Bewegung.
Bewegung irgendwohin. Und Bewegung ist was?
Leben ist Bewegung
Bewegung ist Veränderung im Raum im Verlauf von Zeit!
Über Bewegung sind Raum und Zeit verknüpft. Wenn sich etwas nicht bewegt oder wir keine Bewegung erkennen können, dann sprechen wir manchmal von Ruhe (im Negativen von Erstarrung) von Stille, Bewegungslosigkeit, vielleicht auch von Tod.
Alles was lebt, bewegt sich und wir könnten auch sagen: alles was sich gezielt bewegt, das lebt - wenn es seiner eigenen inneren Absicht folgt. Und das ist nur eine andere Beschreibung dafür, 'seinem eigenen Willen zu gehorchen'.
Wenn wir uns also entwickeln, heißt das, daß wir uns bewegen müssen und zwar gemäß unserer eigenen inneren Absicht.
Das setzt aber voraus, daß es in uns eine Absicht gibt.
Nun, hier könnten wir natürlich voraussetzen, daß wir leben, und wenn wir leben, gibt es diese Absicht. Die Frage ist nur, wie wir sie erkennen. Die Frage ist auch, ob wir sie erkennen müssen. Und es gibt viele Beispiele, die zeigen, daß sich Menschen bewegen und leben, ohne diese innere Absicht zu kennen. Also scheint mir diese Frage nicht das Hauptproblem zu sein.
Das Hauptproblem liegt darin, daß es in uns mehr als eine Absicht gibt.
Daß wir nicht ganz sind, nicht durchgängig, und durchgängig eine Absicht verfolgen. Unabhängig davon, ob diese Absicht uns bewußt ist oder nicht, ob uns bewußt ist, daß wir leben und in welche Richtung wir uns entwickeln oder nicht: die Entwicklung ist richtig und gut und gesund, wenn es nur eine Richtung, eine Absicht und ein Leben in uns gäbe.
Bewegung auch im Kleinen
Aber - es gibt viele Leben in uns. Jede einzelne Zelle in uns lebt bis zu einem gewissen Grade ein eigenes Leben. Und wir, das heißt jeder von Euch, besteht aus Billionen von Zellen, das heißt aus unglaublich vielen kleinen ‘Einheiten’, die alle leben, die in uns lebendig sind. Die auch von uns abhängen, deren Leben von unserem Leben abhängt. Und umgekehrt, die unser Leben ausmachen, die das Leben unseres - sagen wir - Körpers durch ihr Zusammenleben, ihr Zusammenwirken erst möglich machen und tragen.
Und hier ist das Problem. Genau hier ist ein Krebsproblem. Nämlich darin, daß es offensichtlich möglich ist, und auch beobachtet wird, daß einzelne Zellen dieses Zusammenleben verweigern. Das ist bekannt und ihr wißt es im Prinzip.
Weniger bekannt ist, warum sie dies tun. Und die Medizin forscht heute immer noch nach Stoffen, Giften, Viren, die daran Schuld sind, daß dieses Zusammenleben nicht funktioniert. Nach Stoffen, die dafür sorgen, daß einzelne Zellen aus dem Zusammenleben ausbrechen und ein eigenes Leben führen, rücksichtslos, gewalttätig 'bösartig'.
Nun, gerade diese Beschreibung, die ja eher moralisch als medizinisch ist, macht es uns doch relativ leicht, ein wenig dahinter zublicken, also ‘in Richtung’ der Ursachen dafür zu forschen, wie es zu diesem Eigenleben kommt. Denn was heißt denn: 'bös-artig'? Wie kann man dieses Wort, das offensichtlich aus unserer Ethik oder Pädagogik stammt, auf diese kleinen unschuldigen Zellen anwenden, als ob die etwas von unserer Moral oder Erziehung verstünden?
Die einen sind gutartig und die anderen sind bösartig. Da ist doch die Frage - wie sind sie denn bösartig geworden? Oder: Wer hat sie bösartig gemacht?
Was böse ist, bestimmen wir
Ich sagte am Anfang, daß hinter der Krebskrankheit ein Gegensatz steht. Wir könnten auch sagen, der Gegensatz besteht darin, daß die einen um so bösartiger werden, je gutartiger die anderen sein wollen. - richtig? Denn wenn alle das gleiche wollen, gibt es nur ein Leben, ein Zusammenleben. Und nun kommt irgendwann dieser kleine Bruderzwist - entschuldigt, wenn ich an der Stelle ein bißchen spaßig bin - unter diesen kleinen Zellen zustande, wo offensichtlich etwas getrennt wird, was eigentich zusammengehört. Nämlich zusammengehört in der Absicht.
Die Absicht, die diese Zellen vereint und vereinen soll, heißt doch: alle das Gleiche - ein Leben, unser Leben - zu bilden und zu tragen und auszumachen. Und nun bricht ein Konflikt aus, ein Streit, und es entsteht offensichtlich eine unterschiedliche Meinung über das, was gut und böse ist für dieses Leben.
Und so ist es auch. Es gibt offensichtlich die Möglichkeit, daß wir in uns einen Konflikt er-leben, der letztlich darauf beruht, daß zumindest zwei unterschiedliche Meinungen darüber bestehen, welche Absicht wir verfolgen sollen.
*
Ein Teil von uns will sich ent-wickeln, also der Absicht des Lebens folgen und * der andere will sich nicht entwickeln oder nicht so entwickeln, anders entwickeln, und einer anderen Absicht folgen.
Zumindest dies. Es besteht durchaus die Möglichkeit, daß es mehrere Bereiche in uns gibt, die mehrere Absichten verfolgen, die mehrere Entwicklungsziele haben, die nicht zusammenliegen und daher das Ganze in uns auseinanderbringen und ein Zusammengehen, Zusammenleben, Zusammen entwickeln unmöglich machen. Wie kommt es nun dazu?
Wille und Wille sind zweierlei
Zunächst einmal ist doch sehr die Frage, wer recht hat. Wenn zwei etwas verschiedenes wollen, neigen wir von außen her sehr dazu, dem recht zu geben, der sich anpaßt, der sich am Allgemein gültigen orientiert.
D.h. in diesem Fall, dem Menschen, dem Kranken, der versucht, alles zu tun, was entweder seiner - vermeintlichen - eigenen Absicht oder der Absicht der anderen entspricht.
Wenn wir das durchschauen, können wir sehr schnell sehen, daß es offensichtlich im Leben eines jeden Menschen zwei Entwicklungsphasen gibt, wo dieses Problem - 'Krebs' - auftreten muß:
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Einmal, wenn der Mensch beginnt, sich von der Absicht der anderen zu lösen und eine eigene Absicht, einen eigenen Willen zu entwickeln. Wir sprechen dann von Individualisierung. Wenn er anfängt zu erkennen, daß das, was die anderen von ihm wollen, oder was die anderen von ihm erwarten, oder was die anderen glauben, daß er soll, nicht seiner eigenen Ansicht und Absicht entspricht. * Und das selbe Problem tritt später nocheinmal auf, mit der gleichen Auswirkung, aber einer ganz anderen Ursache, nämlich, wenn der Mensch anfängt, nicht auf die anderen zu hören, sondern der Absicht seiner eigenen Seele zu lauschen. Wenn er anfängt zu erkennen, daß er selber Gutes tun will, und zwar nicht, weil es die anderen von ihm verlangen, sondern weil es ihm ein Bedürfnis ist.
Und auch dann kommt er wieder in diesen gefährlichen Zustand, wo er so sehr zur Anpassung neigt, wo er so sehr bestrebt ist, 'gut zu sein', nun aber nicht in erster Linie für die anderen, sondern für seine eigenen seelischen Forderungen, wir könnten auch sagen: sein Gewissen.
Daß er aus diesem Bestreben heraus, gut zu sein und Gutes zu tun, wieder in den Konflikt verfällt, zwischen der Absicht dieses seelischen Impulses und der einheitlichen Absicht in ihm.
Weil auch hier wieder dieser seelische Impuls ihn dazu bringen kann, Erwartungen der anderen, Wünschen der anderen, Befehlen der anderen zu entsprechen und dabei vernachlässigt er das, was eigentlich in ihm selbst als Lebensziel, als innere Absicht vorhanden ist.
Entwicklung in Sprüngen?
Ich will es noch einmal kurz wiederholen. Es gibt in unserem Leben zwei Entwicklungsphasen, in denen die Einheit unserer inneren Absicht zerbrechen kann und praktisch auch zerbricht. Und wenn die Einheit zerbricht, ist es nur eine Frage der Zeit, bis das Zerbrochene eine eigene Absicht entwickelt.
Im allgemeinen, wenn wir nicht schizophren werden wollen, wird sich nur eine Absicht in unserem Leben verwirklichen lassen, oder wir müßten ständig zwischen gegensätzlichen Absichten hin und her springen, was wir nicht können. Es würde uns verrückt machen.
Von daher gibt es nur einen sicheren Schutz vor Krebs, nämlich verrückt zu sein oder schizophren zu sein, das ist bekannt.
Wenn wir also so sehr darum kämpfen, nicht verrückt zu werden oder schizophren zu werden, hat es sicher einen guten Grund und ich will dem auch nicht widersprechen. Aber damit laufen wir notwendigerweise in die andere Gasse ( ob's ne Sackgasse wird, ist die Frage ) - aber Gasse, in die andere Entwicklungsrichtung, wo die Schizophrenie nicht im Geist, nicht im Verstand, sondern schließlich und endlich im Körper erscheint. Wo sich verwirklicht, was in uns aber längst schon vorhanden ist: die zerbrochene einheitliche Absicht, der zerbrochene einheitliche Wille.
Wieviel andere Absichten auch noch da sein mögen, sie sind uns nicht bewußt, sie werden unserem Bewußtsein nicht zugänglich - aber - unserem Körper.
Deswegen gibt es nur einen sicheren Ausweg aus der Krebskrankheit, nämlich den, in jedem Augenblick seines Lebens immer wieder in sich hineinzuhorchen, in sich hineinzuspüren, um festzustellen - was ist die innere Absicht in jedem Teil von mir?
Und ich muß mich daran gewöhnen, daß ich unter Umständen auf sehr gegensätzliche Absichten treffe, die in mir vorhanden sind - zwei oder mehrere.
Höre in dich hinein
Und es gibt nur einen sicheren Ausweg, nämlich den, diese Absichten anzuhören. Ich sage nicht, notwendigerweise ihnen zu entsprechen - wir müssen nicht jeder Absicht, die wir in uns entdecken, nachgehen, nachgeben, aber wir müssen sie zur Kenntnis nehmen und damit in unser Bewußtsein aufnehmen.
Was könnte uns daran hindern, das zu tun?
Ich könnte mir vorstellen, daß ihr zunächst den Eindruck habt, das kann so schwer nicht sein. In sich hineinhorchen - verschiedene Absichten wahrnehmen und diese bewußt machen? Wenn das helfen soll gegen Krebs, dann machen wir es doch, am besten gleich, oder morgen.
*
* Nun, wer ein bißchen Erfahrung hat mit dem In-sich-Hineinschauen und Hineinhorchen, der weiß, daß nichts schwieriger ist als das in sich zuzulassen, was uns verrückt macht - nämlich, daß in uns verschiedene Willen, verschiedene Pläne laufen, die uns in ganz verschiedene Richtungen lenken und antreiben wollen:
* daß Teile von uns das nicht wollen, was wir für richtig halten * daß Teile von uns sich auflehnen gegen das, was für uns festes Glaubensbekenntnis ist * daß Teile von uns absolut nicht mit dem einverstanden sind, was wir, nach bestem Wissen und Gewissen, jeden Tag verwirklichen * daß Teile von uns ein ganz anderes Leben führen wollen, als wir es vielleicht können - selbst wenn wir es wollten. weil wir so sehr Angst davor haben, etwas anderes zu sein, als das, was wir gewohnt sind.
Obwohl wir doch im Prinzip überhaupt nicht sicher sind, ob wir das sind, was wir sind. Oder - ob die Rolle, die wir spielen, die Rolle ist, die uns angemessen ist. Ob es die Rolle ist, die wir in Zukunft noch haben sollen.
Merkt ihr was? Es ist durchaus die Frage, ob das, was wir als gesund bezeichnen, das Gesunde ist - oder ob nicht das, was wir als bösartig bezeichnen, nicht der Teil von uns ist, der eigentlich der gesunden Absicht entsprechen würde (will ?)
Es könnte durchaus sein, daß die paradoxe Situation auftaucht, daß der ganze Mensch krank, und der Teil, den wir als Krankheit - vielleicht Tumor - bezeichnen, der übriggebliebene gesunde Teil ist, den wir in die Klinik tragen zur Bestrahlung und operativen Entfernung.
Woher wissen wir so genau, daß der Teil, der sich angepaßt hat an die äußeren Verhältnisse, derjenige Teil ist, der in unserem Leben nun wirklich die maßgebende, die entscheidende Rolle spielen soll?
Nur weil es die anderen so sehen? Und woher wissen die es?
Verantwortung tragen
Wir werden das Krebsproblem nicht lösen, bevor wir nicht dieses als Wesentliches erkannt haben , jeder für sich und die Gesellschaft als Ganzes: Jeder muß sich dahin entwickeln, daß er die Verantwortung für sein Leben in der vollen Stärke und Fülle übernehmen kann.
Daß er nicht einen Teil dieser Verantwortung auf irgendjemand überträgt, es sei denn, er ist krank, oder will krank werden. Und daß wir nur aus einer Eigenverantwortlichkeit, die hoch entwickelt ist, zu einer gemeinschaftlichen Verantwortlichkeit finden, die dann auch hochentwickelt ist.
Und daß eine erzwungene Anpassung, die diese Grundregel verletzt, den Keim einer Krankheit, vieler Krankheiten, auf jeden Fall aber der Krebskrankheit, bereits in sich trägt.
Vergleichen wir diese Aussage mit dem, was wir zur Zeit im medizinischen Bereich denken und verwirklichen, dann sehe ich einen großen Unterschied zu der hier vorgetragenen Auffassung und gegenwärtig auch keine Chance, das Krebsproblem zu lösen.
Denn die übliche Krebstherapie beruht darauf, die Eigenverantwortlichkeit des Einzelnen, wo sie noch in Resten vorhanden ist, vollends zu zerstören, dem Einzelnen wegzunehmen und ihm nur eines zu lassen: Gefühle der Einsamkeit und der Verzweiflung.
Und ich denke, daß dies notwenigerweise die Konsequenzen sind, die sich aus unserer gesamten Einstellung zur Eigenverantwortung und zur Achtung des freien Willens jedes Einzelnen ergibt.
Wir werden das Problem also nicht auf medizinischem Wege lösen, sondern die Lösung wird sich so oder so einstellen, wenn wir das Grundproblem erkannt haben. Wenn viele von uns in der Lage sind, dieses Grundproblem zu lösen, dann werden wir auch in der Lage sein, die Hilfen für diejenigen anzubieten, die es alleine, ohne Hilfe, nicht schaffen.
Ich sagte zu Beginn, Krebs ist ein Problem, das wir nur lösen können, wenn wir den grundsätzlichen Gegensatz erkennen, der sich immer in unserer Entwicklung auftut - den Gegensatz zwischen dem, was nach vorne will, und dem, was nach hinten strebt.
Denn der ‘Krebs’ geht zurück. Und der Krebs verschanzt sich hinter einem dicken Panzer. Wir sind nun soweit gekommen, daß wir zumindest in Frage gestellt haben, ob denn Krebs darin besteht, daß wir einen Tumor haben, oder daß der Tumor uns hat. Das heißt, daß wir nicht ganz genau wissen, ob denn wir in die richtige Richtung gehen und der Krebs zurück, oder ob nicht umgekehrt wir in die falsche Richtung gehen und der Krebs in die richtige Richtung zieht!?
Die Richtung ändern
Eines wissen wir aus der Medizin: Krebszellen - es gibt sehr viele - aber Krebszellen im fortgeschrittenen Stadium entwickeln sich in einem Zustand, den man sonst eigentlich nur bei Embryos kennt - bei Embryos! - sie sind sehr wenig differenziert, entsprechen also nahezu dem Urzustand, mit dem wir in diese Welt getreten sind - nicht auf die Welt gekommen, sondern wie wir nach der Zeugung entstanden sind. Und das könnte durchaus ein Hinweis sein, daß eine Kraft in uns wirkt , die nicht zur anders zur Wirkung kommt, die keinen Eingang findet in das, was wir Leben nennen, unser Leben. Daß diese Kraft so gewaltig wird und angestaut, daß sie sich Bahn schafft in eine Entwicklung, die wir nicht wollen, die unserer Absicht nicht entspricht, weil wir weiterhin angepaßt leben wollen, so wie es die anderen - oder unsere Seele will. Die aber alles, was in uns ursprünglich ist, lebendig, kraftvoll und neu, enthält, antreibt und eine Entwicklung in Gang setzt, die Teile von uns herausbricht aus diesem - nennen wir es mal - ‘falschen’ Leben.
Auch ohne zu wissen, in welche Richtung diese Kraft zieht - wenn sie auftritt ist es immer ein Zeichen, daß in unserer Entwicklung die Einheitlichkeit verlorengegangen ist und daß Heilung nur dadurch (darin) möglich wird, daß wir diese Einheitlichkeit wieder herstellen.
Daß wir diese Einheitlichkeit nicht dadurch finden, daß wir wiederum die anderen fragen, was wir tun sollen, ist nach dem, was ich bisher sagte, offensichtlich. Und wir versuchen seit Jahren die nahezu unlösbare Aufgabe zu erfüllen, den Krebspatienten klar zu machen, daß nicht ich - nicht der Professor, nicht der Arzt und nicht die ganze Medizin - auch nicht irgendeiner aus dieser Gesellschaft - das passende Rezept haben kann für das, was letztlich nur jeder selber weiß, was für ihn richtig ist.
Daher kommen wir immer wieder in die paradoxe Situation, daß wir gerade dem Krebspatienten, der so gutwillig ist, der so gehorsam ist, der so ratsuchend kommt und alles tun will, was wir ihm an Rat anbieten - sagen müssen - gerade dadurch, daß ich Dir jetzt sage, was Du tun sollst, verstärke ich Dein Problem, helfe ich Dir nicht heraus, sondern weiter hinein.
I c h löse nicht Dein Problem! (Ich will nicht sagen, ich erlöse Dich von dem Problem, denn das klingt zu makaber!)
Angst ist natürlich
Die einzige wirklich Chance, die ein Krebspatient hat, besteht darin, daß er zu dieser Eigenverantwortlichkeit findet,
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daß er die Sprache in sich erkennt, diese verwirrende Sprache, * daß er die Angst überwindet - was sehr, sehr schwer ist - die es in ihm auslöst, wenn er nicht mehr eindeutig hört, was er tun soll.
Wenn er Angst bekommt, das falsche zu tun, wenn er ständig auf der Suche ist nach der richtigen Lösung und sie nicht findet, nicht außerhalb, aber auch nicht innerhalb. Denn wer sagt, daß die Stimme, die er hier oder dort hört, die Wahrheit spricht?
Das heißt doch aber, daß Krebs notwendigerweise und unabdingbar verbunden ist mit Angst, daß die Heilung von Krebs notwendigerweise davon abhängt, daß wir Angst, diese Angst, überwinden: die Angst, etwas falsch zu machen.
Ich sehe keine andere Lösung für das Problem, als uns so weit zu entwickeln, daß wir nicht mehr die Angst haben, zu uns selber zu stehen und das, was in uns erscheint, zu tun - sei es nun richtig oder falsch. Denn ob es richtig oder falsch war, wird sich erst im nachhinein zeigen, und das ist gut so.
Denn wenn wir das nicht überwinden würden - dieses ständig Schauen nach dem Richtigen oder Falschen, kämen wir nie über diese Schwelle, hinter der die Krebskrankheit - beginnt und endet.
Und deswegen sagte ich am Anfang, es gibt keinen Weg um den Krebs herum. Es gibt nur den Weg durch den Krebs hindurch und zwar so schnell wie möglich.
Auf einem Weg, der es uns erspart, ihn als körperliches Leiden zu erleben und mit allen Konsequenzen, die wir heute noch als Therapie bezeichnen, fertig werden zu müssen.
Das ist es, was wir auch tun wollen - und das einzige, was wir tun können, wenn wir helfen wollen. Helfen, ein Stück die Angst zu ertragen - helfen, ein Stück mit der Angst vor dem Richtigen und Falschen oder mit der Angst vor der falschen Entscheidung fertig zu werden - helfen, diese Innere Stimme in uns zu erkennen, die uns dahin führt, wo unsere Entwicklung hin soll - helfen, die Freiheit wahrzunehmen und in Anspruch zu nehmen, die zu unserem Leben gehört - und damit wieder die Lebendigkeit in uns zu entwickeln, die Leben bedeutet.
Insofern ist der Krebs keine Sackgasse, sondern nur eine Alternative. Die Alternative, wenn wir die Freiheit nicht wählen, notwendigerweise in den Tod zu gehen.
Soviel für heute.
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